Nach dem ritualisierten Zmorgen-Schlangengruben-Ritual gehts rauf ins Sternenzimmer zur Ertüchtigung. Heute gibts Krafttraining mit Hanteln und Rumpfstabilisation. Techno erschallt aus dem kleinen, blauen Lautsprecher und peitscht uns zur Höchstleistung. Dann unser Kurzyoga und die Augenübungen mit dem Tennisball. Ich erledige noch kurz einen Einkauf im Bioladen und dann gibts schon Zmittag.
Heute wagen wir uns wieder mal kurz in den ÖV, 15 Minuten, um genau zu sein. Erst im grotesk leeren Zug, dann im Bus nach Ennetbaden. Schon gehts zu Fuss hinauf zum Schartenfels und dann unterhalb des Lägerngrates Richtung Burghorn. Erst ist es eine gespenstisch wirkende Zone mit unzähligem Fallholz, umgestürzten Wurzelstöcken, die noch im Tod Stücke von Lägernfelsen in ihren Wurzelklauen festklammern. Dann ein Weg, der aussieht, als wäre vor 50 Jahren eine Atombombe eingeschlagen, mit unnatürlich weissen Gesteinsbrocken ohne irgendwelchem Moos oder Flechten drauf, und an der rechten Seite ein ins Erdreich gekratzter Steilhang, wo man den Zerfall sogar mitanhören kann, wenn man nur etwas inne hält und zuhört. Alle paar Sekunden stürzt sich ein Steinchen oder ein Stück Dreck den Hang hinunter. Während der ganzen Zeit sehen wir rechterhand und zum Greifen nah, den Lägerngrat. Es tummeln sich Menschen darauf, und wir sind zufrieden mit unserer Entscheidung, genau deswegen nicht dort oben zu gehen. An der nächsten Verzweigung begegnet uns eine junge Joggerin mit Beats-Kopfhörern und dem Handy in der Hand. Ihr Sportkleidchen hat offenbar keine Möglichkeit, es zu verstauen. Letzter kurzer Aufstieg und schon sind wir oben im Bärlauchparadies, so schön! Seit Wochen prägt er das Bild und hat uns schon so viele feine Sösschen beschert. Wir rasten auf unserem Lieblingsbaumstamm, ebenfalls ein toter, gestürzter Riese, mitten im grün bewachsenen, lichten Wald und geniessen die selbstgemachten Zopfsandwiches mit Käse und Honig. Es ist ein Geläufe hier oben, Wanderer/innen in 2er-Gruppen, einsame Jogger in knappen Höschen und elektrifizierte Mountainbiker tummeln sich, so dass Alain Berset wohl keine Freude daran hätte. Wir gehen unseren diagonalen Lieblingsweg am Nordhang runter und befinden uns alsbald wieder von Bärlauch umgeben. Hier ist der mit Abstand effizienteste Ort zum Sammeln. Man hat innerhalb von 5 Minuten einen ganzen Migrossack voll. Heute gehen wir jedoch schnurstracks weiter. Es ist ziemlich frisch, und wir ziehen unser Flies bzw. den Wintermantel und die Kappen wieder an. Weiter an dem nicht mit Gras, sondern mit, thathaaa, Bärlauch in der Mitte bewachsenen Waldweg hinab und die Allee mit dem inzwischen versiegenden Bächlein hinunter nach Schleinikon. Hier ist die Heimat des Eisenplastikers Silvio Mattioli, dessen Kunstwerke im ganzen Wehntal zu finden sind und der schon seit 9 Jahren nicht mehr lebt. Auf den Feldern sehen wir Bauersleute, die in Scharen und mit viel zu wenig Abstand irgendwas machen. Uns wird wieder mal klar, wie schwierig es ist, die Hygieneregeln in allen Lebenslagen zu befolgen, nicht nur, weil man es, aus logistischen Gründen, kaum kann, sondern weil es offenbar immer noch Arbeitgeber gibt, die sich einen Dreck darum scheren. So wird das nichts mit der abflachenden Infektionskurve.
Zu hause angekommen, gönnen wir uns einen Doppio und je einen Spitzbub, mjamm! Bei prächtigem Sonnenuntergang beglückt mich mein Allerliebster wieder mit Chopin und, neu heute im Angebot, Ravel.
Soviel ich auf der Foto über die Landwirtschaftsarbeiten sehen kann, wird entweder angepflanzt oder geerntet. Kaum ein Schweizer Millionenbauer wird sich selbst noch bücken, es sind sicher Fremdarbeiter aus dem exOstblock oder ev. Flüchtlinge aus Nahost…